Berliner Straße
Familie Rosner
JULIUS ROSNER
Geboren: 6. 8. 1873 in Gartz/Oder
Deportiert: 9. 7. 1942 nach Theresienstadt
Ermordet: 6. 6. 1944 in Theresienstadt
Stolperstein: Berliner Straße 20 (heute Nr. 43) in Schwedt/Oder (Lage des ehemaligen
Kaufhauses)
Verlegt am 4. 6. 2013
TELMA ROSNER (geborene ROSENBAUM)
Geboren: 9. 4. 1875 in Schneidemühl
Deportiert: 9. 7. 1942 nach Theresienstadt
Ermordet: 3. 5. 1944 in Theresienstadt
Stolperstein: Berliner Straße 20 (heute Nr. 43) in Schwedt/Oder (Lage des ehemaligen Kaufhauses)
Verlegt am 4. 6. 2013
ELLI ROSNER (verheiratete SICHEL)
Geboren: 21. 3. 1909
Deportiert: 11. 7. 1942 nach Auschwitz
Ermordet: 11. 7. 1942
Stolperstein: Berliner Straße 20 (heute Nr. 43) in Schwedt/Oder (Lage des ehemaligen Kaufhauses)
Verlegt am 20. 3. 2018
HERTA ROSNER (verheiratete MARCUS)
Geboren: 14. 6. 1903
Deportiert: 11. 7. 1942 nach Auschwitz
Ermordet: 11. 7. 1942
Stolperstein: Berliner Straße 20 (heute Nr. 43) in Schwedt/Oder (Lage des ehemaligenKaufhauses)
Verlegt am 20. 3. 2018
J: Oh, Eva, dein Sohn trägt aber einen hübschen Anzug! Ist der neu? Ich wusste gar nicht, dass so etwas wieder angeboten wird.
E: Danke, aber nein, er ist schon älter. Erinnerst du dich noch an das Modekaufhaus in der Berliner Straße 20? Das von der Familie Rosner? Da habe ich ihn gekauft, ist schon einige Jahre her.
J: Ja, natürlich! Ihnen gehörte auch das Schuhwarengeschäft da hinten in der Vierradener Straße, richtig? Dort habe ich immer eingekauft. Tolle Angebote – und diese Rabatte…
E: Oh ja, die hatten schon schicke Schuhe. Für meinen Mann habe ich auch immer gleich etwas mitnehmen können, das war wirklich praktisch.
J: Stimmt, ich glaube, dein Name stand auf der Stammkundenliste dort im Schaufenster.
E: Ach ja, die Liste! Die hatte ich schon total vergessen. Du warst direkt unter mir vermerkt, nicht wahr?
J: Ja, ja, das stimmt.
E: (geflüstert) Eine Schande, dass die Geschäfte in der Reichskristallnacht zerstört wurden.
J: (erschrocken) Eva! Wenn das der Falsche hört… Aber ach, das war schon eine freundliche Familie. Weißt du noch, wie Julius Rosner Geld und Sachspenden aus seinem Geschäft an die Winterhilfe gestiftet hat? Das muss 1933 gewesen sein.
E: Und sein Sohn Reinhold hat ihn stets im Laden unterstützt. Kein Wunder, dass er eine Ausbildung zum Diplom-Kaufmann machte. Und dann sein Herzfehler… Damit hat wirklich keiner gerechnet. 27, so jung…
J: Glücklicherweise hatten Telma und Julius noch ihre Töchter.
E: Herta und Elli? Die beiden waren ein Segen.
J: Seit die Geschäfte verkauft wurden, habe ich kaum mehr was von der Familie gehört. Ich kann immer noch kaum glauben, dass das größte Kaufhaus der Straße plötzlich nicht mehr den Rosners gehört.
E: Soweit ich weiß, sind Telma und Julius nach Berlin gezogen.
J: Hey, ist das dahinten nicht Helga?.
Es ist anzunehmen, dass Eva und Johanna nie erfuhren, welches Schicksal dieser jüdischen Familie widerfahren ist.
J: Oh, Eva, your son is wearing a pretty suit, is it new? I didn’t know these suits are being sold again.
E: Thank you, but no, the suit is quite old. Do you remember the fashion department store at
Berliner Straße 20? That of the Rosner family? I bought it there, but that was a few years ago.
J: Yes, of course! The shoe store in Vierradener Straße also belonged to them, right? I used to shop there. They had great offers – and the discounts..
E: Oh yes, they truly had some great shoes. I was always able to find something for my husband, which was really practical.
J: Yeah that’s right, I think your name was on the list of regulars in the shop window.
E: Oh yes, I had totally forgotten about the list. You were right below me, weren’t you?
J: Yes, yes, that’s true.
E(whispered): It’s a shame that the shops were destroyed in the Reichskristallnacht.
J(shocked): Eva! If the wrong person hears that… But oh, that was a very friendly family. Do you remember how Julius Rosner donated money from his business to Winterhilfe? I think it was in 1933.
E: And his son Reinhold would always support him in the store. No wonder he did an apprenticeship as a businessman. And then his heart defect… Nobody really expected that. He was only 27, so young..
J: Fortunately, Telma and Julius still had their daughters.
E: Herta and Elli? Those two were a blessing.
J: Since the shops were sold, I have hardly heard from the family. I still can’t believe that the largest department store in the street suddenly no longer belongs to the Rosners.
E: As far as I know, Telma and Julius moved to Berlin.
J: Hey. Isn’t that Helga back there?
Familie Maass/ascher
Sophie Maass
mutter von gertrud
Geboren: 07.08.1869, Filehne
DEPORTIERT: 24.10.1941 -> litzmannstadt, Ghetto
ERMORDET: 10.12.1941 Litzmannstadt
Berliner Straße 15 (Heute: Gehweg vor parkplatz neben 42)
Verlegt: 04.06.2013
Leo Ascher
gertruds ehemann
Geboren: 28.10.1887, Mylau
Haft: 24.05.1943-25.05.1943 Werstborg, Sammellager
DEPORTIERT: von Westborg 25.05.1943 ->Sobibor, Vernichtungslager
ERMORDET: 28.05.1943 Sobibor
Berliner Straße 15 (Heute: Gehweg vor parkplatz neben 42)
Verlegt: 04.06.2013
Geboren: 06.06.1897, Schwedt/Oder
Haft: 24.05.1943-25.05.1943 Werstborg, Sammellager
DEPORTIERT: von Westborg 25.05.1943 ->Sobibor, Vernichtungslager
ERMORDET: 28.05.1943 Sobibor
Berliner Straße 15 (Heute: Gehweg vor parkplatz neben 42)
Verlegt: 04.06.2013
tochter von gertrud und leo
Geboren: ca. 1925
Haft: 21.08.1944-03.09.1944 Werstborg, Sammellager
DEPORTIERT: von Westborg 03.09.1944 ->Auschwitz, Vernichtungslager
überlebte
Berliner Straße 15 (Heute: Gehweg vor parkplatz neben 42)
Verlegt: 04.06.2013
M: Und? Wie findest du die Projektwoche bisher?
J: Sehr interessant. Weißt du was ich herausgefunden habe?
M: Nein erzähl mal!
J: Ich beschäftige mich gerade mit der Familie Maass. Sie hatte ein Kaufhaus in der Berliner Straße und hat Textilien verkauft. Max Maass ist schon vor dem Krieg gestorben, 1936. Seine Frau Sophie ist darauf hin nach Berlin gezogen. 1941 wurde sie von dort in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und wurde im Dezember ermordet.
M: Sophie Maass? War das nicht auch die Mutter von Charlotte und Gertrud?
J: Ja, woher weißt du denn das?
M: Ich habe heute ein Dokument über Gertrud Ascher und ihre Familie gelesen. Ihr Schicksal war genauso tragisch wie das ihrer Mutter.
J: Über Gertrud habe ich noch nicht so viel gefunden. Was hast du denn gelesen?
M: Gertrud hat versucht, mit ihrem Mann Leo Ascher und ihrer Tochter Ruth in die Niederlande zu immigrieren. Dort lebten sie 6 Jahre, bis Gertrud und Leo 1943 in das Sammellager Westerborg und von dort weiter nach Sobibor deportiert wurden. In Sobibor haben die Nazis sie drei Tage nach ihrer Ankunft ermordet. Ruth war erst im August 1944 in Westerborg interniert. Im September erfolgte ihre Deportation nach Auschwitz. Sie hat glücklicherweise das Lager überlebt und immigrierte vermutlich 1949 in die USA und dann weiter nach Kanada. Allerdings konnte ich nichts über die zweite Tochter von Sophie herausfinden. Über Charlotte. Hast du zu ihr etwas gefunden?
J: Charlotte heirate 1928 ihren Mann Arthur Philipp in Schneidemühl und hier lebten sie zusammen. Gemeinsam hatten sie zwei Söhne, Rudolph und Horst. Wegen des Antisemitismus mussten jüdische Familien Schneidemühl jedoch verlassen. Sie wollten nach Kanada auswandern, aber Kanada schottete sich vor allem gegen jüdische Flüchtlinge ab. Um immigrieren zu können, mussten sie einen hohen Betrag von 20.000 Dollar überweisen. Das würde heute 350.000 Dollar entsprechen. Die Zahlung wurde von einem Familienfreund bezahlt, der schon in Kanada lebte. Familie Philipp konnte sich recht schnell einleben und fand in der Gesellschaft Anschluss. Ähnlich, wie ihre Verwandten vor der Vertreibung ein Textilgeschäft in Schwedt betrieben, bauten sie sich in Kanada ebenfalls eine Firma auf, die Unterwäsche produzierte. Weißt du eigentlich, was aus dem Textilgeschäft geworden ist?
M: Ja, so wie viele jüdische Geschäfte, wurde auch das Textilgeschäft der Familie Maass 1939 enteignet. Es wurde von dem Einzelhändler „Herzberg“ übernommen und noch im selben Jahr kündigte er die „arische Neu-Eröffnung“ an. Während des Zweiten Weltkrieges behielt er das Geschäft und musste erst kurz vor Kriegsende, im März, aus dem Geschäft ausziehen, Vielleicht war es zerstört. Ruth, die Tochter der Familie, die die Shoah überlebte, stellte 2015 ein Wiedergutmachungsantrag. Dabei ging es um ihr entgangenes Erbe in Schwedt. Was aus dem Antrag geworden ist, konnte ich aber nicht herausfinden.
J: Vielleicht finde ich morgen noch etwas dazu. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass wir weitersuchen, weil die Geschichten der Menschen und somit die Menschen am Leben gehalten werden und nicht in Vergessenheit geraten.
M: And? What do you think of the project week so far?
J: It is very interesting. Do you know what I’ve found out?
M: No, tell me!
J: I’m currently working on the Maass family. They had a department store in Berliner Straße and sold textiles. Max Maass died before the war, in 1936, and his wife Sophie moved to Berlin. She was deported from there to the Litzmannstadt ghetto in 1941 and was murdered in December.
M: Sophie Maass? Wasn’t that also Charlotte and Gertrud’s mother?
J: Yes, how do you know that?
M: I read a document today about Gertrud Ascher and her family. Her fate was just as tragic as that of her mother.
J: I haven’t found much about Gertrud yet. What have you read?
M: Gertrud tried to immigrate to the Netherlands with her husband Leo Ascher and her daughter Ruth. They lived there for six years until Gertrud and Leo were deported to the Westerborg concentration camp in 1943 and from there on to Sobibor. Three days later they were declared dead. Ruth was only interned in Westerborg in August 1944. She was deported to Auschwitz in September. Fortunately, she survived the camp and probably immigrated to the USA in 1949 and then on to Canada. However, I was unable to find out anything about Sophie’s second daughter. About Charlotte. Did you find anything about her? J: Charlotte married her husband Arthur Philipp in Schneidemühl in 1928 and here they lived together. Together they had two sons, Rudolph and Horst. However, Jewish families had to leave Schneidemühl because of anti-Semitism. They wanted to emigrate to Canada, but Canada closed itself off especially to Jewish refugees. In order to be able to immigrate, they had to transfer a large sum of 20,000 dollars. That would be the equivalent of 350,000 dollars today. The payment was made by a family friend who was already living in Canada. The Philipp family were able to settle in quite quickly and found a place in society. As a result, Horst and Rudolph changed their names to Horace and Rudy. Just as their relatives had run a textile business in Schwedt before the expulsion, they also set up a company in Canada that produced underwear. Do you actually know what happened to the textile business?
M: Yes, like many Jewish businesses, the Maass family’s textile business was expropriated in 1939. It was taken over by the retailer „Herzberg“ and in the same year he announced the „Aryan reopening“. He kept the store during the Second World War and only had to move out shortly before the end of the war, in March, perhaps because it had been destroyed. Ruth, the daughter of the family who survived the Shoah, filed an application for restitution in 2015. It was about her lost inheritance in Schwedt. But I couldn’t find out what happened to the application.
J: Maybe I’ll find out something tomorrow. In any case, it’s important that we keep searching because the stories of the people and therefore the people are kept alive and not forgotten.